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Warum bist Du denn nicht wie ich?

Wie sich angeborene Unterschiede auf unsere Kollaboration auswirken können

Der eigene Schreibtisch ist sauber und aufgeräumt. Bei den anderen sieht es eher aus wie auf einer Baustelle? Man selbst ist immer schon lange vor der Zeit am Bahnhof oder am Flughafen und die anderen kommen wieder einmal mit wehendem Mantel in allerletzter Minute angerannt? Der eigene Anteil der Präsentation für morgen ist bereits seit 2 Wochen fertig. Aber wann kommen endlich die Inhalte von den anderen? Warum sind die anderen bloß nicht so wie ich?

Tja, die Natur hat es so eingerichtet, dass wir Menschen einander ergänzen sollen: Manche reden schneller, andere überlegen erst länger. Manche stellen sich gern für die ferne Zukunft der Gesellschaft vor, andere sind gut in der direkten Umsetzung von technischen Details. Manche kritisieren ihre Umgebung eher, andere bewahren lieber die Harmonie.

Was in Büros häufig zu kleineren oder größeren Konflikten führt, ist die angeborene Einrichtung der Natur, dass die eine Hälfte der Menschheit einen ganz starken inneren Antrieb hat, Dinge sofort zu erledigen und abzuschließen, die andere Hälfte jedoch zuerst den “Druck” von außen benötigt, um ihre Energie und Kreativität zu entfalten. – Es könnten schließlich noch interessante Impulse oder Änderungen kommen.

Diese angeborenen Unterschiede kann man übrigens sehr schön bei Schulkindern studieren:  Da gibt es das Kind, das nach Hause kommt und sich unaufgefordert sofort von allein hinsetzt, um Hausaufgaben zu machen und erst danach spielen mag, und dann gibt es das Kind, das man erst antreiben muss, damit es nicht permanent mit etwas anderem beschäftigt ist. Letzteres Kind sollte man am Abend, kurz vorm Schlafengehen – oder womöglich am Morgen kurz vor der Schule – die Hausaufgaben machen lassen. Die Matheaufgaben, die am Vortag zwei Stunden gedauert hätten, sind dann plötzlich in 20 Minuten fertig! Und womöglich auch noch richtig. Der Druck der letzten Minute setzt ungeahnte Kräfte frei. Wohingegen er das selbstmotivierte Kind vollkommen stressen würde. 

An der Universität ist es dann ähnlich: Die/der ‚Aussendruck‘-getriebene gibt die Abschlußarbeit buchstäblich 30 Sekunden vor Fristablauf ab … Die/der ‚Innendruck‘-getriebene schon zwei Wochen vor Fristende.

Für die/den ‚Aussendruck‘-getriebene/n Student*in wäre es purer Stress, so früh abzugeben. Energie und Kreativität kommen doch erst auf die letzte Minute, am letzten Tag und in der letzten Nacht! Für die/den ‚Innendruck‘-getriebene/n Student*in dagegen wäre es purer Stress, erst auf die letzte Minute abgeben zu dürfen!

Im Büro gibt man der/dem Mitarbeiter*in mit ‚Innendruck‘ eine Aufgabe und sagt: „Das brauche ich irgendwann nächste Woche“. Womöglich hat man es schon am Nachmittag erledigt zurück! Denn der ‚Innendruck‘ ist so stark, dass am liebsten am Ende jeden Tages die ‚Inbox‘ komplett leer und die ‚Outbox‘ komplett gefüllt sein sollte.

Von der/dem Aussendruck-getriebenen Mitarbeiter*in bekommt man dieselbe Aufgabe, mit derselben Angabe ‚irgendwann nächste Woche‘, bestenfalls am späten Freitag Nachmittag, wenn nicht sogar am Sonntag Abend oder frühen Montag Morgen danach, in der Überlegung, dass die/der Chef*in etwas für ‚irgendwann nächste Woche‘ ja sowieso erst in der Woche danach bearbeiten möchte …

Dies kann auch zu interessanten Konflikten zwischen Teams und Vorgesetzten führen. Für ein Team, das ganz nach vereinbartem Plan Dinge zügig abarbeiten möchte, ist es schwierig eine/n Vorgesetzte/n zu haben, die/der auf die letzte Minute Pläne wegen einer neuen Idee ‚umschmeißt‘ – oder Anweisungen erst auf die letzte Minute liefert. Wird eine Montag-Morgen-Deadline zum Beispiel erst am Freitag-Abend gegeben, führt das dazu ,dass das Team am Wochenende (und womöglich sogar in der Nacht) arbeiten muss. Klar, dass sich sowas auf das Betriebsklima auswirkt. Denn ein/e Chef/in, die/der eine solche angeborene Präferenz unreflektiert auslebt, kann für das Team schwierig sein.

Die umgekehrte Variante ist ein/e ‚Innendruck‘-getriebene/r Chef/in, die/der gern zeitnah und in Ruhe noch über Arbeiten von Mitarbeiter*innen drüber schaut, bevor diese abgegeben werden. Wenn diese Arbeiten von ‚Aussendruck‘-getriebenen Mitarbeiter*innen auf die letzte Minute geliefert werden, kann das purer Stress für die/den Chef/in sein. Ein kleiner kleiner, gern angewendeter Trick: Chef/in setzt Mitarbeiter/in fiktive Deadline. Mitarbeiter*in hat so den Außendruck, den sie/er braucht, um energiegeladen und kreativ zu sein. Mitarbeiter*in liefert in eigener Annahme ‚auf die letzte Minute‘. Chef/in hat so nun aber tatsächlich noch ein paar Tage Zeit, um selbst in Ruhe über die Arbeit zu schauen und diese dann nach dem eigenen Verständnis ‚pünktlich‘, also am liebsten ein paar Tage vor Fristablauf, einzureichen. 

Was kann also helfen für eine Annäherung – und damit verbesserte Kollaboration?

  • Wenn man es allein schon voneinander weiß, kann einem das am Arbeitsplatz genauso wie im Privatleben zwecks verbesserter Kollaboration nützen. Es geht auch hier um gute Vereinbarungen und gangbare Kompromisse, gegenseitigen Respekt und Wertschätzung.
  • ‚Innendruck‘-getriebene Mitarbeiter*innen können versuchen, etwas mehr zuzuwarten und auch flexibler zu sein gegenüber Veränderungen auf die letzte Minute.
  • ‚Aussendruck‘-getriebene Mitarbeiter*innen können sich bemühen, sich etwas mehr an vereinbarte Zeitpläne zu halten und sich klar machen, dass hinter ihnen in der ‚Mehrwert-produzierenden Kette‘ noch andere kommen, die auf ihre Lieferung warten und ihretwegen u.U. durch ihr Wochenende oder durch die letzte Nacht arbeiten müssen wegen dieses ‚Last Minute‘-Arbeitsstils.
  • E-Collaboration-Tools, z.B. für digitales Projektmanagement, inklusive gemeinsamer Kalender- und Chat-Funktionen können wunderbar helfen, den aktuellen Bearbeitungsstatus gemeinsamer Projekte darzustellen. Wenn alle sie nutzen und pflegen, kann man hier den letzten Stand immer leicht abfragen .oder auch Kolleg*innen, die Aussendruck für ihre Energie brauchen, mal digital erinnern!

Digitalen Wandel gestalten.

Spielend einfach digital.